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Verse XII
Als weiser Vogel bin ich bekannt Kann ich
doch die Zukunft nennen: Von Hunger und Krieg weiß ich, Und wie
lange einer leben wird. Ich weiß, ob eine Frau treu liebt Oder ob
ein Unglück heraufzieht; Weiß, wer sein Leben bald verliert
Und wer ein schlimmes Ende findet; Wenn Heere aufeinanderprallen,
Weiß ich schon, wer siegen wird; Im Frühling weiß ich,
welch Gewächs Zur Freude aller blühen soll; Weiß,
welches Haus bald einstürzt, Und ob wer aufsteigt oder fällt;
Weiß auch, welch Schiff im Meer versinkt, Und ob bald Sturm die
Lande peitscht; Von vielem noch weiß ich zu sagen, Denn mir ward
Wissen reich zuteil.
Nicholas de Guildford (spätes
12. Jahrhundert) (Aus Die Eule und die Nachtigall") |
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Die Eule und
der Esel
Sieh! Seht mir doch das grobe Tier! Was
schleppt und keicht! da lob ich mir doch meine klügre Art zu leben!
Esel Möcht keinen Pfifferling drum geben!
Eule Möchtst nicht? Das macht, du dummes Vieh,
dein grobes Hirn empfand noch nie des edeln Müßigggangs
Behagen; hast nichts gelernt als Säcke tragen, und weißt nur
nicht, wie süß es tut, zu trinken kleiner Vögel Blut
und sich mit ihrem Fleisch zu laben; hast kein Gehirn, nur Eselsgaben!
Esel Weiß wohl; mag auch kein andere haben;
scheu aber auch das Tageslicht wies hoch begabte Eulchen nicht;
seh jedem frei ins Angesicht; werd nur belacht von Narren und von
Knaben. Des bin ich froh; und - schönen Dank für eure Gaben!
Joachim Heinrich Campe (1746 - 1818) |
The Owl
and the Pussycat
The Owl and the Pussy-cat went to sea In
a beautiful pea-green boat, They took some honey, and plenty of money,
Wrapped up in a five-pound note. The Owl looked up to the stars above,
And sang to a small guitar, "O lovely Pussy! O Pussy, my love, What
a beautiful Pussy you are, You are, You are!
What a beautiful
Pussy you are!" Pussy said to the Owl, "You elegant fowl! How
charmingly sweet you sing! O let us be married! too long we have tarried:
But what shall we do for a ring?" They sailed away, for a year and a
day, To the land where the Bong-tree grows And there in a wood a
Piggy-wig stood With a ring at the end of his nose, His nose, His
nose,
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With a ring at the end of his
nose. "Dear Pig, are you willing to sell for one shilling Your ring?"
Said the Piggy, "I will." So they took it away, and were married next day
By the Turkey who lives on the hill. They dined on mince, and slices of
quince, Which they ate with a runcible spoon; And hand in hand, on the
edge of the sand, They danced by the light of the moon, The moon,
The moon, They danced by the light of the moon.
Edward
Lear (1871) |
Die Elster. Der Uhu
Die Elster
saß auf einem hohen Baum, Der manchem Wandrer Schatten gab, Und
plauderte herab.
Die Lerche, sprach sie, singt ja kaum Ihr Tireli,
des Morgens nur, dreymahl! Hingegen singt die Nachtigall Zwar Tag und
Nacht, und weiß Nicht aufzuhören, ihren Fleiß
Bewundert man, allein Er solte dauerhafter seyn, Er währt ja
nur vier Wochen! Ich plaudere Jahr aus, Jahr ein, Ach wie könt ich
so faul doch seyn?
Sie hatt es noch nicht ausgesprochen, Da
lispelte ein spöttischer Uhu, Der in des Baumes Bauche saß,
(Ein Philosoph, der alle Welt vergaß) Von unten auf ihr zu:
Ach hielt die Elster doch ihr Maul Ach wäre sie doch faul!
(Unbekannt) |
Only sweet-voiced birds are
imprisoned. Owls are not kept in cages.
Jalalud'din Rumi (13. Jahrhundert)
Die Eule studierte Pandekten,
Kanonisches Recht und die Glossa, Und als sie kam nach Welschland,
Sie frug: Wo liegt Canossa?
Die alten, matten Raben Sie
ließen die Flügel hangen, Sie sprachen: Das alte Canossa Ist
längstens untergegangen.
Wir möchten ein neues bauen,
Doch fehlt dazu das Beste: Die Marmorblöcke, die Quadern, Und
die gekrönten Gäste.
Heinrich Heine
(1797-1856) |
Das kluge
Mäuschen
Wo sich dunkle Zweige neigen, fliegt bei
Anbruch jeder Nacht durch das abendliche Schweigen Eule Schuhu auf die
Jagd.
Ungesehen schwebt sie leise durch den grünen
Waldesschatten, späht nach ihrer Lieblingsspeise: nach den
Mäusen und den Ratten.
Eines Nachts ist eine Maus eben aus dem
Haus gegangen. Da - ein Griff! Oh Schreck, Oh Graus! Schuhu hat die
Maus gefangen.
Quiekend und mit Angst und Beben ruft das
Mäuschen äußerst klug: Warte, Schuhu, hör doch
eben! Frißt mich ja noch früh genug.
Ganz was Wichtiges
zu sagen hab ich dir, so hör mich an! Schuhu packt sie fest
am Kragen: Na, was ist denn, kleiner Mann?
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Sprich, sonst wirst du gleich gefressen.
Faulen Zauber gibt es nicht. Du bist heut mein Abendessen. Also
los, du grauer Wicht!
Mäuschen ruft:Bei mir zu
Haus hab ich eine Wunderpille, eine Pille, sagt die Maus,
davon sieht man ohne Brille wie ein Adler in der Sonne und
nicht nur bei Nacht und Schummer. Schuhu hört das voller Wonne,
denn es ist ihr steter Kummer,
daß sie tags nichts sehen
kann. Doch sie hält das Mäuschen fest, als sie sagt:
Nun denn, voran, führe mich zu deinem Nest!
Vor
dem Mauseloch, hockt sie nieder, wartet in Nacht und Tau. Doch das
Mäuslein kam nicht wieder, denn die Mäuse, die sind
schlau.
Sieben Stunden, ungelogen, saß Frau Schuhu vor dem
Loch. Wäre sie nicht fortgeflogen, säße sie dort heute
noch. |
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