Am anderen Ende der Welt schmolz gerade der Schnee. Zaghaft
erwachte der Frühling und stimmte mit seiner pastellenen Blütenpracht
alles Leben heiter. Es schien, als zauberte der Urquell des Wachsens jedem
Wesen ein Lächeln ins Antlitz. Selbst die Tiere der Nacht blinzelten jetzt
länger in den mild?sonnigen Tag.
Im immergrünen Land unter der
weißen Wolke hatte nächtens der kleine Buschkauz Ninox das Palaver
der großen Buscheulen belauscht, Sie erzählten sich die alte Legende
von Novatrix und befragten einander, ob die Zeit für die Rückkehr des
letzten Weisheitskorns endlich reif sei. Aber keine wusste es genau zu sogen.
So riefen die Buscheulen den uralten Mondgott Thoth an: "Wohuhp, wohuph, Gott
der Weisheit, Wächter der Sterne und Herr über die Zeit, sage uns,
was zu tun ist, denn es beunruhigt uns, dass die Menschen nicht noch Weisheit
fragen." Aber Thoth sandte ihnen keine Zeichen. Vielleicht war seine
Wahrnehmung getrübt, weil sich schon ewig niemand mehr für ihn
interessierte.
Ninox grübelte also an diesem Morgen über die
Frage der großen Buscheulen. Dabei wurde ein Gedanke in ihm immer lauter:
Bei einer Flugreise über die Kontinente könnte man es herausfinden,
ob der Zeitpunkt gekommen sei. Aber könnte er die Weltenmeere
überqueren? Von NeuseeIand bis Australien ist es nicht weit. Das
könnte er womöglich mit etwas Training schaffen. So flog der kleine
Kauz aus dem Regenwald hinunter zur Küste und sah den großen
Albatrossen und Sturmvögeln zu, wie sie über der Brandung des
Pazifiks mit dem Wind hoch über der Weite des Ozeans segelten. Er wusste,
nur von ihnen konnte er den weiten Flug lernen, denn auf dieser Insel konnten
die Vögel des Waldes keine Feinde und waren so lieber zu Fuß
unterwegs.
Jeden Tag flatterte Ninox nun den Strand entlang. Endlose
Kilometer. Mit dem Wind kam er bald weiter, als er je geflogen war. Gegen die
scharfe Brise aber stand der kleine Vogel in der Luft auf der Stelle und
stürzte gleich darauf wie ein Stein zu Boden. Mutlos lugte er dort
ziemlich derangiert aus den Federn. Ein Sturmvogel holte die eigenwilligen
Streckenflüge der kleinen Eule beobachtet und sich gewundert.
Schließlich trieb ihn die Neugier zu dem seltsamen Bruchpiloten: "Was
treibst du für ein zerstörerisches Spiel?" Ninox sortierte sich und
stammelte respektvoll: "Ich muss zu Erkundungen hinüber noch Australien."
Der Sturmvogel kicherte herablassend: "Du Winzling?"
Ninox schaute etwas
ratlos unter seine kleinen Flügel. Längst wusste er, niemals
könnten sie ausreichend Wind für ein endloses Gleiten unter sich
versammeln. "Aber es ist eine wichtige Mission", trotzte er dem Spott. Das
rührte den großen Vogel an: "Musst du sie allein vollbringen?" Ein
knappes, über eigensinniges "Nein" war die Antwort. Ninox staunte nicht
schlecht, als er den Sturmvogel sogen hörte: "Na, dann wirst du vielleicht
meine Hilfe brauchen? Du könnte ja auf meinem Rücken
mitreisen."
Die großen Augen des kleinen Buschkauzes wurden noch
größer, als sie eh schon waren. Und sie leuchteten vor Freude, so
könnte sein Plan wirklich gelingen. In da nächsten Vollmondnacht war
es soweit ? |