Kalender 2006 - April

Die Zwei nahmen die Route über den Tasmansee hinüber noch Australien. Aber auch dort hatten die Kuckuckskauze, Erd- und Buscheulen in den Eukalyptuswäldern keine Neuigkeiten Also überquerten die ungleichen Flieger den Timorsee und versuchten anderswo ihr Glück. An der Küste von Sumatra trennten sie sich. Ninox flatterte über Vulkangebirge, heiße Quellen und dichten Dschungel landeinwärts. Irgendwo dort, in einem blauen Licht aus strahlendem Himmel und glasklarem Wasser, traf er den Fischuhu Ferrus bei der Jagd.

Die kleine Eule landete unsanft, weil erschöpft, dicht neben ihm auf einem morschen Baumstumpf und japste noch Luft. "Hey! Mach' nicht so einen heißen Wind, du gerupfter Federball, Du verscheuchst mir ja mein Abendmahl" schnauzte ihn der Fischuhu an. "Ich versteh' nichts vorn Fischen", entschuldigte sich Ninox kleinlaut bei dem Gevatter. "Das merkt man", blubberte Ferrus, was nur noch wie ein schwaches Echo seines flüchtigen Ärgers klang. "Was verschlägt dich dann in diese Gegend?" wollte Ferrus jetzt wissen. "Kennst du die Legende von Novatrix?" flüsterte Ninox. "Oh, gewiss! Jede Eule auf der Welt kennt sie", dozierte der Uhu. Daraufhin fragte Ninox, was er auf seinem weiten Weg bei jeder Eulensippe erkundet hatte: "Dann kannst du mir vielleicht sagen, ob die Zeichen der Zeit gut stehen für die Rückkehr des allerletzten Korns der Weisheit?"

Ferrus trat erregt von einem Bein aufs andere. Seine Federohren sträubten sich wie vibrierende Fächer: "Um Himmels willen! Die Menschen wandern wieder. In so einer bewegten Zeit geht viel verloren." Die kleine Buscheule sah in die Weite des blauen Landes und fand: "Es ist doch wunderschön hier, wieso wandern die Menschen fort?" Der Fischuhu antwortete tonlos: "Sie gehen nach Brot, hier gibt es zu wenig davon Aber brauchen sie nicht Weisheit für ihren Weg?" überlegte Ninox hörbar. "Weißt du, kleiner Bruder", erklärte Ferrus, "sie ziehen ratlos und mit gekappten Wurzeln in eine ungewisse Zeit. Das Weisheitskorn aber benötigt inneren Frieden und Ruhe, um zu gedeihen."

Ninox ließ die Flügel hängen und seufzte: "Aber irgendwo muss doch die rechte Zeit wohnen." Der Fischuhu schaute lange sinnierend dem sachten Lauf der Wellen noch, die hinüber in einen Mangrovenwald schwappten. Dann räusperte er sich: "Vielleicht an einem stillen Ort, in einem wachen Herzen." Ferrus sah zu Ninox. Dem Winzling perlte die Müdigkeit aus jeder Feder. "Ach, kleiner Held" sprach nun der Uhu. "Du trägst schwer an deiner Mission. Aber die könnte keine Eule, nicht einmal die größte und stärkste, allein bewältigen. Bedenke: alle in der großen Eulenfamilie sind Hüterinnen der Weisheit. Du bist die Eule, die aufgebrochen ist. Lass mich die Mission übernehmen, soweit mich meine Flügel tragen. Und sei unbesorgt, sie wird zu einem guten Ende gebracht."

Über dem Gespräch der Eulen hing inzwischen eine silbrige Nacht mit betörenden Düften, Frösche quakten, und der Fischuhu wurde wieder zum Jäger, bis er sich satt und stark genug fühlte. Sodann erhob sich Ferrus, um entlang der Ozeanküste die große Suche der Eulen fortzusetzen ...